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KUNST & AUSSTELLUNG


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INKA Stadtmagazin - epaper ⋅ Ausgabe 184/2024 vom 01.07.2024

ZKM: Ausstellungsrezension „(A)I Tell You, You Tell Me“

Ein surrendes Brummen, in einem unregelmäßigen Takt ein kurzes Pumpgeräusch, dann leichtes Rascheln. Im ersten Lichthof herrscht ruhiges, doch stetiges Treiben. „…Menschen, Ameisen, und Krea…“. Bei jedem An- und Absetzen zu einem Buchstaben gibt’s ein neues „Tuff “. „…Robotik über… „. Ich stehe bestimmt 15 Minuten an dem Fließband und blicke konzentriert auf ultramarinblaue Plastikhäcksel, welche nach und nach aus Buchstaben ganze Wörter formen. Schwungvoll pumpen zwei Industrieroboter mit ihren Schlaucharmen das recycelte Granulat auf die weiße Fläche. Die Künstlergruppe Robotlab hat für „AEIOU“ (2024) eine KI mit Robotertheorie der vergangenen Jahrzehnte gefüttert und lässt diese KI-Maschinen-Kombo einen selbstreflexiven Dialog führen. Die blaue Schrift erzählt uns also, wie das menschliche Denken über Roboter von Robotern, durch Menschen angelernt, weitergesponnen wird. Bitte wie? Maschinen lernen durch Menschen. Sie beziehen sich auf das, was schon da war und kombinieren es neu. Und können sich mittlerweile eigene Regeln setzen. Korrigieren müssen wir sie selbst. Doch sind wir uns wirklich bewusst, wie wir mit unseren Suchanfragen beeinflussen, was wir finden? Kann ich mich, während ich eine Technologie nutze, erinnern, wie sie funktioniert, und was mir gerade nicht gezeigt wird? KI ist überall und rückt näher. Ob das unbehaglich wird oder nicht, entscheiden Menschen. Die drei Auftragswerke für „(A)I Tell You, You Tell Me.“ führen diese Beziehungshaftigkeit vor Augen. „Zzzzsch!“ Ein paar Personen quietschen und lachen. Ich bin im zweiten Lichthof gelandet. Mit einem Knall schießt Luft aus dem Boden, grüne Strudel wirbeln, die Wände sind ein einziges Spiel aus Farbe und Textur, Bergwelten. HfG-Professorin Anne Duk Hee Jordan hat mit „Electrify Me, Baby“ (2024, Foto links) einen eigenen Kosmos geschaffen, wild, bunt, schnell. Die Künstlerin interessiert die Komplexität von natürlichen Prozessen, in Verschmelzung mit dem Nichtlebendigen, mit Technologie. Ich sinke dankbar auf eine Bank um die Ecke, Kopfhörer neben und ein Video vor mir. Mit schnellen Cuts werden in Jordans „Brakfesten/La Grande Bouffe“ (2022) Nahaufnahmen von kämpfenden Insekten und ein badenden Albino-Elch gezeigt. Puh, das gibt es auch noch. Irgendwas, an dem sich mein aktiviertes Nervensystem beruhigt. Das mampfende Kaninchen ist ziemlich laut, im Hintergrund elektronische Beats, und trotzdem ist es ein Ausatmen, während im Kopf dauernd mitrattert, was ich hier eigentlich mache. Mit Maschinen spielen, im Raum nebenan, wo das Foto von Lynn Hershmann Leeson (Foto rechts: „Reach“, 1986) hängt. „Was würde Robotik über Menschen, Ameisen und Kreaturen aussagen?“ Ich weiß es nicht, frage mich eher, wie willkürlich diese Kategorien sind. Und was sagt mir der sich schüttelnde, nasse Elch? Genuss der Sinne und den Körper nicht vergessen. I Tell You: Keep Perspective, Get Involved. (Fotos: Stella Braasch) -sb · bis 24.11., ZKM-Lichthof 1 2

ZKM: Antennae – Frequencies From The Archive

Anhand des ZKM-Archivs hat die Seminargruppe „Antennae To Feel-Think-Know“ des Fachbereichs Ausstellungsdesign und Szenografie der HfG eine Ausstellung entwickelt, die nach der Zukunft fragt. Ausgehend von historischen Dokumenten, Videos und Geräten weben sie ein Netz zwischen Figuren und Geschichten, die in den einzelnen Archivalien zutage kommen. Wie wurde früher auf Zukunft geschaut, wie geträumt und gestaltet? Wie praktiziere ich Zukunft? Archive sammeln, bewahren und sind dabei immer lückenhaft – und das ist politisch. Höre ich das, was ausgelassen wird, was möglich sein könnte? Zur Eröffnung gibt es einen ganzen „Aktivierungstag“ mit den Studis und Kuratoren Nick Aikens, Céline Condorelli und Felix Mittelberger. (Abb.: Harald Bode: Studio, 1987, ZKM/Harald Bode Archiv) -sb · Aktivierungstag: Fr, 19.7., bis 24.11., ZKM-Lichthof 1 2

ZKM: Masterclass #10

Die „Masterclass“ fördert jährlich bis zu sieben talentierte Jugendliche aus Karlsruhe über ein gesamtes Jahr hinweg. Die aktuellen Kunstströmungen werden erforscht, es gibt mehrtägige Workshops mit Kunstschaffenden zu Neuen Medien wie Video- und Klangkunst, Livecoding oder zur Werkkonzeption. In der diesjährigen Jubiläumsausgabe des Stipendienprogramms präsentieren sich Anastasiya Haiku, Vinzent Bela Hermanns, Florenz Kaspar, Nadja Nawril, Junias Schlenker und Felix Spogis in einer Ausstellung, deren Gestaltung Ziel und Abschluss der gemeinsamen Zeit ist. Zusätzlich zu ihren Werken sind Videoarbeiten der Stipendiaten der vergangenen zehn Jahre zu sehen. (Foto: Yoreme Waltz) -sb · Vernissage: Fr, 26.7., 17 Uhr, bis 8.9., ZKM-Lichthof 8

Schauwerk Sindelfingen: Neon, LED & Co. – Lichtkunst aus der Sammlung Schaufler

Die Ausstellung wirft ab So, 7.7. einen vielseitigen Blick auf die Lichtkunst von den 60er Jahren bis in die Gegenwart. Viele Künstler sind fasziniert von Licht und nutzen es als Material in ihren Werken. Die physikalischen, vor allem aber metaphysischen Eigenschaften des Lichts ermöglichen neue Seh- und Raumerfahrungen. Das immaterielle Medium findet in Form von Glühbirnen, Leuchtstoff- oder Neonröhren, glimmenden LEDs oder leistungsstarken Scheinwerfern Einzug in die Kunst. Ein Fokus der Ausstellung liegt auf den Materialien und der Erhaltung von Lichtkunst: Wie können z.B. Glühlampen nach dem EU-Verbot ersetzt werden? Zu sehen sind Werke aus der Sammlung Schaufler von Künstlern wie John M. Armleder, Tracey Emin, Dan Flavin (Abb.: o.T., To Paolina, 1971, VG Bild-Kunst, Bonn 2024), Jeppe Hein, Brigitte Kowanz oder Otto Piene. -rw Vernissage: So, 7.7., 11.30 Uhr, bis 10.8.25, Schauwerk Sindelfingen

Baden-Baden: „Kunst findet Stadt“ feat. Erwin Wurm

Anlässlich seines 70. Geburtstags im Juli feiert das Kunst im öffentlichen Raum frei zugänglich machende, 2021 gestartete Projekt eine der international renommiertesten Künstlerpersönlichkeiten der Gegenwart vor dem Kurhaus Baden-Baden mit einer konzentrierten Werkauswahl an Skulpturen: Der Österreicher Erwin Wurm ist für seine ungewöhnlichen Darstellungen des täglichen Lebens bekannt. Sie hinterfragen nicht nur die Sehgewohnheiten, sondern oftmals auch die damit verbundene und kulturell bedingte Weltanschauung. Indem er das scheinbar Vertraute karikaturhaft verfremdet, ermöglicht Wurm einen ebenso ironischen wie auch kritischen Blick auf die Dinge. Seine Werke finden sich in den international bedeutendsten Kunstsammlungen wie z.B. im Museum Of Modern Art und im Guggenheim Museum, in der Tate Gallery sowie dem Centre Pompidou. (Abb.: Big Disobedience, 2023, Foto: Jonty Wilde) -pat · 20.7.1.9., Kurgarten Baden-Baden, www.baden-baden.com/kunst-findet-stadt

ZKM: Black Flags

Eine schwarze Flagge. Das Symbol hat es in sich und ist doch frei und wandelbar in der Bedeutung. Die Farbe – oder vielmehr ihre Abwesenheit – ist räumlich, politisch, leer; eine Flagge, ob gehisst, in den Boden gerammt oder geschwenkt, ist immer ein Akt der Kommunikation. In der neuen Ausstellung „Black Flags“ nutzen drei Künstler dieses Motiv in je eigenem Kontext: Die in Belgien lebende Edith Dekyndt zeigt im Video „Ombre indigène, part 2, Martinique“ eine Fahne aus schwarzen Haaren; für Santiago Sierra ist sie ikonisches Symbol der anarchistischen Bewegung am geografischen Nord- und Südpol und Choreograf William Forsythe lässt in seiner Installation zwei Industrieroboter schwarze Fahnen mit digitaler Präzision bewegen. Alle drei Werke umspannen die Frage, ob es möglich ist, eine Zukunft zu imaginieren, in der wir wirklich begreifen, dass wir in ein komplexes ökologisches System eingebettet sind. -sb bis 6.10., ZKM-Lichthof 8 9

Große Sommerausstellung: HfG-Rundgang

Für vier Tage öffnet die Karlsruher Hochschule für Gestaltung ihre Türen für die Öffentlichkeit und zeigt zum Ende des Sommersemesters rund 100 Arbeiten aus den Studiengängen „Ausstellungsdesign &Szenografie“, „Kommunikationsdesign“, „Kunstwissenschaft &Medienphilosophie“, „Medienkunst“ sowie „Produktdesign“. Ein täglich wechselndes Begleitprogramm sorgt für Abwechslung und verdeutlicht zudem die Vielfalt der unterschiedlichen Studiengänge. Den Höhepunkt des Eröffnungsabends stellt die Preisverleihung der Fördergesellschaft ZKM/HfG dar: Eine hochkarätig besetzte Jury aus dem Kunst- und Hochschulbereich verleiht auch in diesem Jahr wieder Preisgelder in Höhe von 17.000 Euro für herausragende Semester-, Magister- und Diplomarbeiten. Ein weiterer besonderer Programmpunkt ist eine gemeinsame Ausstellung von ZKM und HfG, die unter dem Titel „Antennae: Frequencies From The Archive“ (s. sep. Text) auf Grundlage des ZKM-Archivs untersucht, wie Zukunft imaginiert, projiziert oder praktiziert wurde. Entwickelt wurde die Werkschau von einer Seminargruppe des Fachbereichs Ausstellungsdesign und Szenografie; kuratiert von Nick Aitkens sowie Céline Condorelli im Dialog mit dem leitenden Archivar des ZKMs Felix Mittelberger. Die Ausstellung lädt dazu ein, sich genauer mit dem Archiv auseinanderzusetzen und beschäftigt sich nicht nur mit den dort enthaltenen Archivalien, sondern auch mit den Lücken und der Frage, was aktuell, aber auch in Zukunft alles möglich sein könnte. Wer möchte, kann ebenfalls am Eröffnungsabend die Studio-Ausstellung „Hydromedia“ besuchen, die im Frühjahr an der HfG erarbeitet wurde. Der Rundgang wird zudem durch vielfältige Führungen, Lesungen und Performances ergänzt. Für das diesjährige Ausstellungsdesign waren Studenten der HfG unter Leitung von Gastprofessorin Doris Dziersk verantwortlich. (Fotos: Jihye Jang) -sab · Do-So, 18.-21.7., Hochschule für Gestaltung

Stuttgart: ABK-Rundgang

Vom 19. bis 21.7. verwandelt sich der Campus Weißenhof der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart an einem verlängerten Wochenende in eine große Ausstellungsfläche, auf der aktuelle Arbeiten der Studenten sowie Diplom- und Masterarbeiten präsentiert werden. Aktionen, thematische Führungen und ein Tag des Freundeskreises der Akademie sind mit im Programm. In den offenen Ateliers und Klassenräumen von Architektur, Design, Bildender Kunst und Kunstwissenschaften-Restaurierung gibt’s Führungen jeweils zur vollen Stunde (Sa So, 13-18 Uhr). Die Eröffnung findet am Fr, 19.7. um 18 Uhr durch die neue Rektorin Prof. Dr. Prof. h.c. mult. Eva-Maria Seng statt. Seng hatte zuvor seit 2006 den Lehrstuhl für Materielles und Immaterielles Kulturerbe an der Uni in Paderborn inne; ihre sechsjährige Amtszeit trat sie zum Juni an. Höhepunkt des Eröffnungsabends sind auch die zahlreichen Preisverleihungen wie der „Akademiepreis“, der „DAAD-Preis“, „Performance Art Prize“, der „Erwin-Heinle-Preis“, die „Kunstpreis Förder-Koje“ sowie der „Walter-Stöhrer-Preis für Grafik“. Vom Campus aus kann weiter in die Stadt ausgeströmt werden: Im Gustav-Siegle-Haus, im Projektraum AKKU und im Künstlerhaus Stuttgart stellen Studiengänge des Künstlerischen Lehramts und der Bildenden Kunst ihre Abschlusswerke aus – die Ernte der vergangenen Jahre gehört gebührend gefeiert! (Foto: Nadine Bracht) -sb · Vernissage: Fr, 19.7., 18 Uhr; bis 21.7., Fr 18-23 Uhr, Sa So 12-20 Uhr, Akademie der Bildenden Künste, Campus Weißenhof, Stuttgart

CCFA: Shaotong He: Chaos II – „The Die Has Been Cast“

„Alea jacta est“ – das Zitat, das Julius Caesar zugeordnet wird, verdeutlicht, wie fatal Vergangenheit und Zukunft verflochten sind. Wie navigieren wir uns durch schier unendliche Möglichkeiten? Seit einem Paris-Aufenthalt setzt sich der Multimediakünstler Shaotong He (Stuttgart/Düsseldorf ) mit Fragen wie diesen auseinander und präsentiert in seiner Ausstellung eine Kartografie der Verflechtung von Glauben und Schicksal. -rw · Vernissage: Do, 4.7., 19 Uhr, bis 14.9., CCFA, Eintritt frei

Kunstakademie: Sommerausstellung

In der viertägigen Sommerausstellung präsentieren sich die Studenten der Kunstakademie von Erstsemestern bis Meisterschülern mit aktuellen Werken, Performances und Aktionen. Am Eröffnungsabend werden zahlreiche Preise vergeben, es gibt Rundgänge durch die Reinhold-Frank-Str. 81/83 sowie den Bildhauergarten und die Klassen der Außenstelle Schloss Scheibenhardt präsentieren einen Teaser ihrer Werke, um in die entfernteren Ateliers zu locken. Am Do, 11.7. gibt’s einen Vortrag der Reihe „Störfaktor“, am Fr, 12.7. organisiert der Lehramtsstudiengang „Intermediales Gestalten“ ein Performancefestival und der Freitagvormittag, 13.7., 9-13 Uhr, ist für Schüler die ideale Gelegenheit, eigenständig in die Gebäude auszuschwärmen (nach Anm.). Führungen gibt’s in den Gebäuden in der Innenstadt (Sa So, 12 16 Uhr) und in Scheibenhardt (15 Uhr). Dort im Schloss findet am Sa, 13.7. auch die vom Asta organisierte Party statt, die den Abschluss des Studienjahrs feiert. Ebenso Teil der Sommerausstellung ist die Schau „Wolken im Kopf “ von Jana Gruszeninks, die sich das Kalthaus in den Gewächshäusern im Botanischen Garten mit einer großen Textilinstallation aneignet. Die Koop mit den Staatlichen Schlössern und Gärten Ba-Wü ermöglicht in den Sommermonaten jungen Kunstschaffenden, in diesem unüblichen Umraum ortsspezifisch zu arbeiten. Während der Sommerausstellung ist der Eintritt dort frei (bis 15.7., Do Fr 10-16.45 Uhr, Sa So 10-17.45 Uhr). -sb · Vernissage: Mi, 10.7., 19 Uhr, Lichthof Reinhold-Frank-Str. 81; bis 14.7., Do-Sa 10-22 Uhr, So 1018 Uhr, Kunstakademie @Reinhold-Frank-Str. 81 & 83, Bildhauergarten Bismarkstr. 67, Schloss Scheibenhardt

Neue Kunst Gallery: Lucia Riccelli

Die gebürtige Römerin Lucia Riccelli arbeitet als Malerin, Tänzerin und Performance-Künstlerin; sie lebt und arbeitet in Wien, Rom und Zakynthos. Die Verbindung von Tanz, Video, Musik und Installation spiegelt sich in ihrer Arbeit als Malerin wider. Eine gestische und expressive Pinselführung auf ungrundierter Leinwand ist typisch für ihr Werk. Sie verdichtet kurze Momente zu sinnlichen Statements. (Abb.: Vertigine #2, 2018, Acryl, Oil on Linen, 150 x 120 cm) -rw Vernissage: Fr, 5.7., 19.30 Uhr (EM-Viertelfinalspiel ab 21 Uhr mit ev. deutscher Beteiligung wird gezeigt), bis 3.8., Neue Kunst Gallery Michael Oess

Badisches Landesmuseum: Spoila – Vom Gedächtnis der Dinge

Die neue Studioausstellung zeigt keramische Skulpturen der Künstlerin Myriam Schahabian. Der Titel ist eine Anspielung auf Spolien: Überreste älterer Bauten, die weiterverwendet werden. In ihren Arbeiten setzt die Karlsruher Künstlerin Elemente aus der persischen Malerei, Bau-und Schriftkunst zu einer neuen universellen Kunstform zusammen. Die motivische Vorlage für das Skulpturenpaar „Punkt für Punkt – Falte für Falte“ (Foto: Tschek i deh Schahabian) stammt z.B. von einem persischen Samtgewebe des Landesmuseums. Der Samt kam einst als begehrtes Handelsgut der Safawiden (1501-1722) vom Iran ins Osmanische Reich (1299-1922) und gelangte dann im frühen 18. Jh. als Beute vom „Türkenfeind“ ins Badische. Seine Reise steht sinnbildlich für die Biografie der Künstlerin. -rw · Fr, 12.7., 16 Uhr, bis 27.4.25, Badisches Landesmuseum, Schloss Karlsruhe, 2. OG

Bietigheim-Bissingen: Timm Ulrichs

„Nichts als Theater“: Für den „Dada-Urenkel“ Timm Ulrichs ist Leben und Kunst ein einziger Schabernack, gerade angesichts der teils grauenhaften Absurditäten, die die Lebenswirklichkeiten uns vor die Füße legen. Er lässt diese Widersprüche in seinen Objekten, Aktionen, Fotografien und Collagen durchschaubar werden, bringt sie auf die Bühne. Für den „poetischen Wortjongleur“ ist dabei der Mensch als Beziehungswesen im Mittelpunkt, alles dreht sich um Kommunikation. So führen die Personalpronomen spielerisch durch den Parcours der Ausstellung, zu der es zahlreiche Veranstaltungen gibt: eine kreative Schreibwerkstatt mit Barbara Knieling (Mo, 22.7., 10-12 Uhr), eine Vormittagsführung für Senioren (Di, 30.7., 10 Uhr), eine After-Work-Kurzführung (Di, 16.7., 17 Uhr) oder neben der öffentlichen Führung (So, 21.7., 16.30 Uhr) eine Führung für Lehrkräfte (Mo, 8.7., 17 Uhr). Im Studio ist weiterhin das Werk des Fotografen Reiner Pfisterer zu sehen, der sich in der Musikfotografie einen Namen machte. „From Voices To Images“ lässt nicht nur berühmte Persönlichkeiten wie Die Toten Hosen oder Bobby McFerrin bei Livekonzerten erleben; der Fotograf interessierte sich auch immer für den Alltag auf Tour und das Leben hinter der Bühne. Die Werkschau findet im Rahmen von „Bi-Bi Pop“ statt, ein Projekt, das die besondere Musikgeschichte von Bietigheim-Bissingen in verschiedenen Ausstellungen und Veranstaltungen präsentiert (bis 22.9.). (Abb.: Zwei schwarze Schafe, 2016, Kunstmuseum Ahlen Dauerleihgabe Theodor F. Leifeld-Stiftung, Foto: Wolfgang Braden, VG Bild-Kunst Bonn 2024) -sb · Vernissage: Do, 4.7., 19 Uhr, bis 6.10.; Pfisterer: bis 22.9., Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen

Fruchthalle Rastatt: Mona Hakimi-Schüler

„Frau, Leben, Freiheit“: Diese Wörter sind mit einer schmerzhaften Dringlichkeit durchtränkt, wenn das eigene Existenzrecht jeden Tag aufs Neue erkämpft werden muss. Anhand der feministischen Bewegung der vergangenen Jahre im Iran, konträr zur Revolution 1979, untersucht die Künstlerin Mona Hakimi-Schüler in ihren poetischen Zeichnungen, Collagen und Installationen, wie revolutionäre Bewegungen wirken, wie Protest, Gewalt und besonders der laute und leise Widerstand aussieht. Zwei Jahre vor der Iranischen Revolution in Teheran geboren, verwebt die in Berlin lebende Künstlerin in „Talking About The Revolution“ ihre biografischen Erfahrungen mit persischer Literatur und der Geschichte Irans aus feministischer Perspektive. Mit dieser ersten institutionellen Einzelausstellung wird das Werk der Künstlerin gewürdigt. (Abb.: Multi-bodies , Collagen, 2014, Foto: Michael Klaus) -sb · Vernissage: Do, 4.7., 18 Uhr, bis 10.11., Städtische Galerie Fruchthalle, Rastatt

BBK: Mitgliederausstellung & Sommerfest im Künstlerhaus

Eine wunderbare Gelegenheit, sich einen Einblick in die aktuelle zeitgenössische Kunstproduktion der Region zu verschaffen, bietet die alljährliche Mitgliederausstellung im Künstlerhaus. Zu erleben ist quer durch die Generationen eine bunte künstlerische Vielfalt mit den verschiedensten Techniken und Medien. Die unterschiedlichen Facetten sind immer wieder anregend und verblüffend. Im Anschluss an die Eröffnung beginnt das Sommerfest im idyllischen Innenhof mit Livemusik, Speis und Trank. Parallel zur Mitgliederausstellung sind im Juli zudem zwei Sommerkonzerte im lauschigen Innenhof des Künstlerhauses geplant: Am Fr, 12.7., 20 Uhr, gastiert der in Karlsruhe ansässige, international bekannte Perkussionist Hakim Ludin (Foto unten) mit seinem Soloprogramm „One World Percussion“. Ludin bewegt sich spielerisch zwischen perkussiver Ästhetik und fantasievollen Klangbildern und stellt beim Konzert auch seine vielen Instrumente und deren Geschichte kurz vor. Den zweiten Abend gestalten die beiden Gitarristen Armin Heitz und Davide Petrocca. Im Programm sind u.a. Songs der großen Jazzgitarristen wie Django Reinhardt, Wes Montgomery oder Jim Hall am Sa, 13.7., 20 Uhr. Die Galerieräume sind vor und während des Konzerts für die Besucher geöffnet. (Abb. oben: Daniel Bonaudo-Ewinger, o.T., Öl, Staub, Lack, Fingerspuren auf Jute, 38 x 42 cm) -rw Vernissage Mitgliederausstellung: Sa, 29.6., 18 Uhr, bis 21.7., Konzerte: Fr Sa, 12. 13.7., 20 Uhr, Fr 17-20 Uhr, Sa So 14-18 Uhr, BBK-Künstlerhaus

Kunstverein Neustadt: Eine Reise in den Pfälzer Impressionismus

Auf den Spuren des Malers Max Slevogt hat sich die Künstlergruppe BHK (Prof. Christian Heuchel und Gunter Klag) auf eine künstlerische, multimediale Reise durch sein Leben und Werk begeben. In Zusammenarbeit mit Mike Überall wurde eine von den Farbwelten Slevogts inspirierte Bilderserie entwickelt. Für die Ausstellung haben die drei Künstler wechselseitig ihre großformatigen Leinwände übermalt und ergänzt; Bindeglied ist die gemeinsame Formensprache zwischen Abstraktion und Figuration. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit zahlreichen Abbildungen und Texten. -rw · Vernissage: Fr, 5.7., 19 Uhr, bis So, 21.7., Kunstverein Neustadt, Villa Böhm

Zettzwo Produzentengalerie: Zu zweit

„Zu zweit“ bei Zettzwo in der Zunftstr. 2 – allein schon dieses Spiel mit dem letzten Buchstaben des Alphabets hat seinen Reiz. So sieht es Stefanie Pietz, die die neue Ausstellung der Produzentengalerie zusammen mit der Malerin und Gastkünstlerin Annette Herkel gestaltet. Die Sujets des Themas umfassen die ganze Bandbreite von sich ergänzenden Paarungen und gegenüberstehenden Polen. Zwillinge ebenso wie Zwiespalt. Identisches neben Janusköpfigem. Kongruenz und Differenz. Die teilweise Umsetzung in Diptychen und Vexierbildern verstärken und steigern die Wirkung. (Abb.: Annette Herkel, „Truso“, Öl auf Leinwand, 160 x 80 cm) -rw · Vernissage: Fr, 12.7., 19 Uhr, bis 3.8., Sa 10-14 Uhr, Zettzwo Produzentengalerie

Friedrichsbau Bühl: Michelin Kober & Martin Pöll – „Selbander“

Nur selten trifft man heute noch auf das Wort „selbander“ – wahrscheinlich wissen viele nicht mehr, was unter diesem altbackenen Begriff zu verstehen ist. Es steht nicht nur für „miteinander“ oder „beieinander“, sondern auch für „zu zweit“. Ein passender Titel also für eine Doppelausstellung, in der Arbeiten von zwei Künstlern aufeinandertreffen: Michelin Kober arbeitet bevorzugt im Medium der Zeichnung und mit Tusche auf Papier. Zwei ihrer liebsten Themen sind sicherlich die Zeit und die Wiederholung. Die endgültige Form ihrer Arbeiten ergibt sich aus dem Arbeitsprozess und vor allem auch aus der Aneinanderreihung und Schichtung feiner Linien. Minimale Abweichungen und kleine Verschiebungen sind durchaus willkommen, genauso wie auch Aspekte des Zufalls. Die bildhauerische Arbeit von Martin Pöll basiert nicht nur auf der Natur als Quelle der Inspiration, sondern auch auf den Naturmaterialien, auf die der Künstler beim Anfertigen seiner Werke zurückgreift. Sie sind Arbeitsmaterial, Formensprache und Erfahrungsraum für seine skulpturalen Installationen. Seerosenblätter treffen auf verkohlte Holzscheiben und auf Baumrinde. Pöll bildet die Natur jedoch keineswegs nur ab – vielmehr veranschaulicht er sie. -sab · Vernissage: Fr, 12.7., 19 Uhr, bis 11.8., Friedrichsbau Bühl

ZKM: Man liest wieder rot

Auf dem Musikbalkon gibt’s ab Ende Juli eine Ausstellung über die Geschichte der Kunstpublikation „Rot“, die von 1960 bis ’97 von Elisabeth Walther-Bense und Max Bense herausgegeben wurde. Die über 50 Bücher waren wichtige Medien der konkreten Poesie, für die Stuttgarter Gruppe wie auch die brasilianische Avantgarde. Künstler wie Mira Schendel (Abb.: Rot 29, Grafische Reduktionen, Stuttgart 1967, ZKM, Bibliothek Max Bense und Elisabeth Walther-Bense/ZKM-01-0001-W-1024), Franz Mon oder Georg Nees wurden veröffentlicht, wie auch Themen der Computerkunst oder Semiotik bewegt. Ausgewählte Ausgaben werden anhand des großen Nachlasses von Walter-Bense und Archivbeständen des Hauses in Kontext gesetzt und ihre Wirkung, besonders in den 60ern und 70ern, beleuchtet. Das Projekt entstand in Kooperation mit dem KIT-Institut für Kunst- und Baugeschichte. -sb · 25.7.-25.8., ZKM-Musikbalkon

Nordbecken-Festival

Kunstfestival von und mit Nemanja Sarbajic und Constanze Zacharias u.v.a. · Vernissage: Fr, 5.7., 19 Uhr, 7.-12.7. Studio Nordbecken, Rheinhafen

Zehnthaus Jockgrim: Sommerfest & Young Art By Female Painters

Vier junge Künstlerinnen, die in der Kunstwelt noch nahezu unbeschriebene Blätter sind, bespielen teilweise bereits zum zweiten Mal in Folge zum Thema „Junge Kunst“ die Räume des Jockgrimer Zehnthauses. Banafshe Haidary, die gemeinsam mit Marita Dörr bereits im vergangenen Jahr vertreten war, zeigt erneut ihre realistisch anmutenden Porträts von Kindern und Jugendlichen, mit denen sie 2022 den „Jugendkunstpreis Rheinland-Pfalz“ gewann. Dörr – ebenfalls Preisträgerin des „Jugendkunstpreises“ – studiert aktuell an der Kunstakademie in Karlsruhe und ist mit ihren collageartigen und teils surrealistisch wirkenden Kompositionen vertreten. Zu den beiden Künstlerinnen gesellen sich die Grafikerin Femi Awosusi mit zarten und auffällig bunten Aquarellbildnissen sowie Melek Özer (Abb.) mit farblich äußerst ansprechenden Stillleben und Landschaften. Am Tag der Vernissage findet zudem auch das beliebte Sommerfest statt. In diesem Jahr sorgen Miri In The Green (Foto: Bernadette Fink) mit frankophilen Songperlen und amerikanischem Singer/Songwriter-Pop fürs musikalische Programm. -sab · Vernissage: Fr, 12.7., bis 21.7., Zehnthaus Jockgrim

Skulpturengarten Schweigen-Rechtenbach

Schon beim Betreten des Skulpturengartens in Schweigen-Rechtenbach wird schnell klar, welches Thema in diesem Jahr im Mittelpunkt steht: Aus einem Eichenstamm ließ Jean-Marie Ganeval einen großen Menschen erwachsen, der die Besucher zu begrüßen scheint. Es ist die erste von vielen weiteren menschlich anmutenden Skulpturen, die die Gäste auf dem Rundweg begleiten und zur Gesellschaft einladen. Zwei Holzfiguren von Stephan Müller musizieren auf ihren minimalistischen Instrumenten, nackte Körper aus Beton strecken sich den Bäumen entgegen, fragile Figuren mit überlangen Proportionen thronen auf schmalen Holzpflöcken und eine Gruppe von Keramikköpfen tritt miteinander ins Zwiegespräch. Auch wir als Besucher sind dazu eingeladen, mit den Skulpturen in Austausch zu kommen und die Ausstellung als Einladung zum Dialog zu verstehen. Insgesamt sind Arbeiten von zwölf Künstlern aus der Pfalz, dem Badischen und dem Elsass vertreten – neben den figürlichen Objekten gibt es auch abstraktere Werke und spannende Kontraste zu entdecken: Während Martin Schöneichs schwere Eisenskulptur in der Mitte des kleinen Parks auf dem Rasen liegt, erklingen die feinen Stahlwolken von Jürgen Heinz durch ihre Bewegungen im Wind. (Fotos: Sabine Adler) -sab bis 31.10., Gemeindepark Schweigen-Rechtenbach

Badischer Kunstverein: Netta Weiser & Katrin Mayer

Wie wird aus Tanz Klang? Wie stehen Livesendungen im Zusammenhang mit verstummten Geschichten? Und führt uns gemeinsames Zuhören eines Radiobeitrags tatsächlich zusammen? Die Künstlerin Netta Weiser, die im Badischen Kunstverein erstmals eine Einzelausstellung in Deutschland präsentiert, arbeitet an der Schnittstelle von Choreografie, experimentellem Radio und diskursiver Praxis. Vor ihrem Kunststudium absolvierte sie in Israel eine Ausbildung als Tänzerin – die künstlerische Auseinandersetzung mit Tanz und Klang liegt somit nahe. Im Mittelpunkt der Ausstellung „Radio Choreography: Acts Of Transmission“ (Foto) steht eine dreiteilige Klanginstallation, die durch eine Vielzahl an performativen Aktionen in Zusammenarbeit mit der HfG, Liveradiosendungen via Querfunk und Listening Events wie bspw. bei Cola Taxi Okay ergänzt wird. Parallel hierzu zeigt die Künstlerin Katrin Mayer ihr aktuelles Projekt „Coda“, das sich mit der weiblichen Geschichte der Computerprogrammierung, aber auch mit einer spekulativen Geschichte zur Gründung der Fächerstadt beschäftigt und somit zwei nicht zugehörige Themen in einen spannenden neuen Zusammenhang bringt. -sab · bis 1.9., Badischer Kunstverein

Galerie Demmer: Thomas Gatzemeier & Shmuel Shapiro

Der Maler, Grafiker und Autor Thomas Gatzemeier studierte in den 70ern in Leipzig bei Arno Rink und Volker Stelzmann. Geprägt durch die alte akademische Tradition und gnadenlos harte Malereiausbildung an der Hochschule für Grafik und Buchkunst gehört er zur zweiten Generation der „Leipziger Schule“. „Man durfte damals erst dann mit Farbe arbeiten, wenn man alle Schrift- und Druckkurse und alle Zeichenkurse erfolgreich abgeschlossen hatte. Die meisten Studenten kamen gar nicht so weit. Heute unvorstellbar“, sagt Demmer. Nach einem Ausstellungsverbot, das auf Konflikte mit der Regierung folgte, verlies Gatzemeier 1986 die DDR und zog nach Karlsruhe; zahlreiche Ausstellungen in Galerien und Museen folgten. Im Mittelpunkt seines malerischen Werkes steht die Figur und insbesondere der weibliche Akt; selbst bei frühen abstrahierten Arbeiten ist das Organische der Ausgangspunkt. Parallel zur Kunst schreibt Gatzemeier, publiziert Romane, Erzählungen und Bildbände und betreibt seit seinem Wohnortswechsel 2020 nach Leipzig dort seine „Galerie Soll & Haben“. Demmer zeigt Arbeiten der 80er und 90er auf Leinwand und Papier, während im Café Segafredo die farbenreiche und poetische Shmuel-Shapiro-Ausstellung (Foto: Roger Waltz) erneut verlängert wird. -sb · bis 31.7., Galerie Demmer & Café Segafredo

Gedok: Julia Federspiel – „Dämmerung“

Julia Federspiel, Meisterschülerin von Stephan Balken-hol, präsentiert eine Verschmelzung von Skulptur und Virtual Reality. Ihre Skulpturen und 3D-Arbeiten verbinden durch eine VR-Installation ergänzt traditionelle Bildhauerei mit modernsten Techniken; ihre Werkstoffe bilden Holz, Stahl und fortschrittliche Kunststoffe. (Abb: Dämmerung XVI, PETG, Stahl, Aluminium, Baumwolle, 2023) -rw · Finissage: So, 21.7., 17 Uhr, Gedok

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